Ein Künstlerjubiläum: Schorsch Bross steht seit 30 Jahren auf der Bühne

dazu schreibt der fränkische Tag am 21.5.2016:

VON UNSEREM MITARBEITER BERTRAM WAGNER

Bamberg – Wenn einer wie Schorsch Bross – mit bürgerlichem Namen Jörg Treiber – sein 25-jähriges professionelles Künstlerdasein feiern kann, seit 30 Jahren öffentlich auftritt und einer der ältesten sowie sicherlich auch besten Jongleure Deutschlands ist, sollte er in einer Kleinstadt wie Bamberg zu den in der Öffentlichkeit bekanntesten Künstlern gehören. Dem ist keinesfalls so! Die Erklärung des 53-Jährigen, der schon weit über 1000 Auftritte hinter sich hat und ein Tausendsassa der Varietékunst ist: „Gala-Künstler sind die unbekanntesten Künstler. Uns kennt kein Mensch!“

Wer meist bei Veranstaltungen von Firmen im Inland („bei über zwei Drittel aller DAX-Firmen habe ich schon gespielt“) und Ausland seine Bühnenkunst zelebriert und auf Festivals in aller Herren Länder, darunter auch in Indien, Stammgast ist, da wundert es nicht, dass dessen Bekanntheitsgrad in hiesigen Breiten sich umgekehrt proportional zu seinem Können verhält. Seine „Kunden“ sind vorwiegend Geschäftsführer und Marketingleiter. „Fast ähnlich wie früher“, lächelt Schorsch Bross, der diesen Varieté-Namen an seinen Großvater Georg („Schorsch) und den französischen Namen für Bürste knüpfte. In seinem früheren Leben verkaufte der Diplom-Maschinenbauer Großindustrieanlagen und hatte es mit Vorständen und Ingenieuren zu tun. Nun nicht mehr in Büros, sondern auf der Bühne.Sieht man einmal von einem 30-minütigen Interview und dem ein oder anderen BR-Auftritt (u.a. in „Wir in Bayern“) ab, so ist das Fernsehen auch nicht seine bevorzugte Heimat. Wer ihn in Bamberg sucht, der findet ihn allwöchentlich am Mittwochabend im Giovanni Zirkuszeit beim offenen „Jongliertreff“, den er seit zehn Jahren leitet. Aus diesem Treffen ist auch das Bamberger Zirkus-Varieté als Benefizveranstaltung für Don Bosco entstanden. Bislang sechsmal aufgeführt (jeweils im Januar) und pro Jahr über 1000 begeisterte Besucher. Weitere Bamberger Auftritte: Fünf Dinner-Shows und beim „Humorgipfel“ 2013 im Theater.

Erfolgreiches Jonglierbuch

„Impulsen nachgehen“, dieses Motto durchzieht das Leben des gebürtigen Münchners, für den Bamberg und sein Wohnort Rudendorf seit 1990 die überaus geliebte Heimat ist. Typisch für Schorsch Bross, dass ein jonglierender Einradfahrer als Straßenkünstler sein Schicksal war. Er kaufte sich Jonglierbälle, trainierte unter Selbstanleitung, hatte anfangs Frusterlebnisse in der Münchner Fußgängerzone („fünf Mark, es war die falsche Show und der falsche Ort“), ehe er in der Folgezeit alles umstellte. Über das Universitätsprogramm nahm er an Jonglier-Seminaren teil, wurde bald auserkoren, ein Jonglierbuch zu verfassen. Dieses Werk ist zu einem der erfolgreichsten Jonglier-Bücher geworden, über 50 000 verkaufte Exemplare und in der 5. Auflage auf dem Markt. Vor 30 Jahren dann der erste richtige Auftritt beim Spielfest im Olympiapark. Mit dem Umzug Ende 1990 nach Franken war die Entscheidung gefallen: Künstler statt Maschinenbauer („die Familie hat mich für verrückt erklärt“)! Über Kulturbörsen, Kleinkunstfestivals und den Besuch von Workshops schaffte er den „großen Sprung“.

„Ich habe diesen Entschluss noch in keiner Sekunde bereut! Ich konnte meine Leidenschaft zum Beruf machen!“, betont das Künstler-„Urgestein“ in der Retrospektive. Seine Sportaffinität (Schwimmen, Fechten, Handball) hat ihm weitergeholfen, ebenso wie seine Tätigkeit als bayerischer BLSV-Jugendsprecher („ich konnte mich vor Leuten hinstellen, ich war ein Unterhalter“). Apropos Sport: Jörg Treiber schaffte als Bogenschütze des PBC Breitengüßbach im Wettbewerb „Blankbogen“ sogar die Qualifikation zur „Deutschen“.

Eine Bühnenkunst-Nummer beherrscht Schorsch Bross wie kein Zweiter in Deutschland, ja auf der ganzen Welt: Er sitzt hoch auf seinem Stangenrad, balanciert einen ganz normalen Besen auf der Stirn, jongliert dabei mit vier Ringen und wirft diese dann als Höhepunkt hoch auf den Besen! Eine Weltsensation! Dazu bedarf es permanenten Trainings („ich will ja davon leben“), wobei er die große Freiheit genießt und alles andere als Daumen dreht. „Die Unterhaltungsenergie ist da, das Komische habe ich mir erarbeitet, ich bin nicht naturkomisch“, diese Tugenden sind wohl der Schlüssel für ein derart erfolgreiches Künstler-Leben.

Neben dem Varieté-Künstler gibt es noch den „richtigen“ Jörg Treiber. Als Gegenpol zur Bühnenkunst hat er sich dem Malen verschrieben, besuchte dafür renommierte Schulen in Paris, Barcelona und London und hat sich auch als Fotograf einen Namen gemacht („das wurde mir familiär in die Wiege gelegt“). Bleibt noch der Bildhauer, der mit Hammer und Meißel umgehen, aber auch mit der Kettensäge faszinierende Skulpturen gestalten kann. Zwei Skulpturen sind in Breitengüßbach am Bogenplatz aufgestellt. Da wundert es nicht, dass das alte (selbst renovierte) Schulhaus in Rudendorf samt Garten einem Museum für bildende Künste gleicht.

Im Erdgeschoss steht sein Meisterwerk, das zugleich Sinnbild ist für die Talente des ehemaligen Maschinenbauers, des bildenden Künstlers und des Jongleurs: Zwei Jahre Bauzeit mit über 1000 Stunden waren von Nöten, ehe er eine Kugelbahn mit einer Silikon-Ballmaschine konstruiert hatte, bei der die Bälle herausgeschleudert werden, dreimal auf den Boden tippen, ehe sie in einen Trichter springen und von da aus wiederum auf eine Kugelbahn.

Leidenschaft pur

Verrückt? Überirdisch? Das lässt der Macher nicht gelten: „Es steckt in jedem von uns ein hohes Maß an Kreativität; man muss den Zugang nur wecken“, so der Spiritualist („nichts ist wichtiger als das hier und jetzt“). Ob Schorsch Bross oder Jörg Treiber – beide leben nicht für die Zukunft und nicht aus der Vergangenheit. Sein Leben ist Leidenschaft pur, bei ihm sind dies keine Phrasen, sondern sein gelebtes Credo. Nur so kann er sich auch mit fast 54 Jahren in der deutschen Eliteklasse, ja europäischen Championsleague behaupten. Er treibt keinen Schindluder mit seinen Ressourcen, wer so viel Energieladung und artistisches Know How besitzt, kann noch viele Jahre sein Können beweisen, auch wenn dies zu 95 Prozent nicht öffentlich über die Bühne geht.

Bleibt die Kardinalfrage: Wie viele Bälle fliegen beim Jubilar durch die Luft? Sieben!